Wie können wir die extreme Rechte stoppen? – Unsere Podiumsdiskussion in Günzburg

Wir freuen uns, dass so viele sich bei den Demonstrationen für die Demokratie engagieren! Hunderttausende nahmen an den über 70 Versammlungen in Bayerisch-Schwaben teil – mehrere Millionen bundesweit. Wir haben im Rahmen unseres Schwabenparteitags in Günzburg zur Diskussion eingeladen, wie es mit der Demokratiebewegung weitergeht und wie wir Rechtsextremismus noch besser entgegentreten können.

In einem journalistischen Input zeigte Sebastian Lipp (Allgäu ⇏ rechtsaußen) zunächst auf, dass das Problem nicht allein die in weiten Teilen rechtsextremistische „Alternative für Deutschland“ ist. Vielmehr sind zentrale Akteure der AfD in Schwaben gut vernetzt mit der extremen Rechten, wie Lipp in einigen Schlaglichtern aufzeigte. So hat der AfD-Bezirksvorsitzende Christoph Maier eine lange Historie mit Verbindungen in die rechte Szene; im Landtagwahlkampf war er zuletzt etwa auch mit Patrick Herkommer an- und aufgetreten, der aus der militanten Neonazi-Szene um die Skinhead-Kameradschaft Voice of Anger bekannt ist und auch Verbindungen zu internationalen Neonazis pflegt.

AfD im Landtag: Fraktion mittlerweile komplett rechtsextrem

Der Unterallgäuer Landtagsabgeordnete Franz Schmid ist ebenfalls in Kontakt mit der Identitären Bewegung (IB) und neonazistischen Milieus. Der ehemalige Vorsitzende der AfD-Jugendorganisation JA in Schwaben wird sogar auch als Einzelperson vom Verfassungsschutz beobachtet und steht beispielhaft dafür, wie innerhalb der AfD immer selbstbewusster und schamloser mit Verbindungen zur extremen Rechten umgegangen wird.

Das bestätigt Cemal Bozoğlu aus dem Landtag. In der vergangenen Legislatur sei die AfD-Fraktion noch zweigeteilt und zerstritten gewesen. Mit der Wahl 2023 haben sich die Grabenkämpfe zwischen „Gemäßigten“ und Rechtsextremen erledigt und die Fraktion ist vollständig als der parlamentarische Arm der rechtsextremen Bewegung zu betrachten. Eine Unvereinbarkeitsliste der AfD sei in Bayern nicht existent. Auch in Dasing (Landkreis Aichach-Friedberg) gab es ein Treffen der AfD und JA mit Vertretern der IB und anderen Rechtsextremisten.

Drei Tage nach unserer Podiumsdiskussion stellte Cemal Bozoglu heute gemeinsam mit Fraktionssprecherin Katharina Schulze den neuen Lagebericht Rechtsextremismus 2023 sowie geeignete Maßnahmen im Landtag vor.

Aufklärungsarbeit brachte Demokratiebewegung auf die Straße

Durch die Demokratiebewegung sei das Interesse an seiner Aufklärungsarbeit größer geworden, berichtete Sebastian Lipp. Anfang des Jahres hatte CORRECTIV eine Recherche veröffentlicht, die ein Treffen von Mitgliedern der AfD, der Werteunion und der Identitären Bewegung mit weiteren Rechtsextremen und potentiellen Geldgeber*innen dokumentierte, bei dem über Deportationspläne gesprochen wurde. Diese Enthüllungen lösten eine der größten Protestbewegungen in der Geschichte der Bundesrepublik aus.

Große Demonstrationen gab es dabei nicht nur in München oder Augsburg, sondern auch in kleineren Städten wie Donauwörth (mit 5000 Teilnehmenden am 18. Februar), Aichach, Friedberg, Kaufbeuren, Sonthofen, Lindenberg i.A (jeweils 2000 oder mehr Teilnehmende) und vielen weiteren Orten. (Hier gibt es eine Übersicht fast aller Demonstrationen in Bayerisch-Schwaben.)

Bündnisse schmieden – auf möglichst breiter Basis

Organisiert hatten die Demos an vielen Orten bereits bestehende Bündnisse wie etwa das Memminger Bündnis für Menschenrechte und Demokratie, das 2025 sein zehnjähriges Bestehen feiert. Doch auch neue Bündnisse gründeten sich.

Für das neue Bündnis für Demokratie und ZusammenHalt (duz) aus Krumbach sprach Claudia Lachenmayer auf dem Podium. Der Gründung gingen lange Überlegungen voraus mit dem Ziel, die meisten Menschen mit ins Boot holen zu können, eine breite Basis anzusprechen. So sei etwa auch die Bezeichnung „gegen Rechts“ vermieden worden, um eine Teilnahme der CSU zu ermöglichen. So gelang es, einen regen Zuspruch zu erhalten mit mehreren Hundert Interessierten bei Treffen.

Der Minimalkonsens ist die Demokratie als Basis, auf der unterschiedliche Meinungen bestehen können und alle Strömungen mitgenommen werden (außer Rechtsaußen). Das Bündnis duz möchte gezielt auch Menschen ohne parteipolitischen Hintergrund sowie Institutionen, die eigentlich unpolitisch sind oder sein wollen, ansprechen und überzeugen, denn, so Lachenmayer:

„Man kann in diesen Zeiten nicht unpolitisch sein!“

Podium, v.l.: Moderatorinnen Eveline Kuhnert und Chrissi Myrtsidou-Jung, Martina Wenni-Auinger, Werner Gloning, Claudia Lachenmayer, Cemal Bozoglu

Offene Konzepte zur Pflege der Gesprächskultur

Aus Kaufbeuren berichtete Monika Schmauch von der dort 2023 neu gegründeten Gruppe OMAS GEGEN RECHTS (OGR) – nach Bodensee und Füssen die dritte in Schwaben. In der Wertachstadt hatte ein zuvor schon bestehendes „Bündnis gegen Rechts“ während des Landtagswahlkampfs großen Zulauf bekommen, als eine Gegenveranstaltung zu einem Höcke-Auftritt im Stadtteil Neugablonz organisiert worden war.

Monika Schmauch berichtet aus dem Publikum von den OMAS GEGEN RECHTS Kaufbeuren

Diese Veranstaltung des mittlerweile in „gegen Rechtsextremismus“ umbenannten Bündnisses, wurde von einer breiten gesellschaftliche Basis bis in die CSU hinein unterstützt und war auch der Gründungsimpuls für die Kaufbeurer OGR-Gruppe. Zuletzt hatte eine von den Kaufbeurer Gruppen unterstützte Gegenveranstaltung mit Gesang und Picknick in Marktoberdorf auch viele Familien angesprochen und eine gute Stimmung verbreitet. Neben der klassischen Demo müssten offenere Konzepte erprobt werden.

Dies ist auch beim Bündnis duz eine zentrale Idee für die Zukunft nach den großen Demos. Neben schnell organisierten Gegenveranstaltungen zu AfD-Auftritten sind auch eigene Impulse geplant. Etwa beim Sommer im Stadtgarten oder bei Sofagesprächen will das Bündnis Claudia Lachenmayer zufolge „einfach diskutieren, ins Gespräch kommen mit Leuten, die sonst nicht kommen würden und die Debattenkultur pflegen.“

Hier auf unserer Website sammeln wir alle Termine in einer Übersicht

Farbe bekennen: Was für eine Partei ist die AfD?

Werner Gloning vom DGB Günzburg bekräftigte, dass man Farbe bekennen muss. So vermisst er etwa beim Bayerischen Bauernverband eine klare Aussage dazu, dass die AfD rechtsextrem ist. Im Landtagswahlkampf hätte die AfD nicht auf den Podiumsdiskussionen vertreten sein sollen. „Die AfD ist keine normale Partei. Alle sollten sagen, da gehen wir nicht mehr hin, mit denen diskutieren wir nicht“, so Gloning, der auch gewerkschaftsintern dafür plädiert, in der Positionierung konkreter zu werden und Farbe zu bekennen.

Der AfD-Landtagskandidat im Stimmkreis Günzburg, Gerd Mannes, hatte von allen AfD-Kandidierenden die meisten Stimmen erhalten. Aus dem Vorstand der radikalisierten AfD-Fraktion schied der häufig als „gemäßigt“ bezeichnete Abgeordnete trotz seines guten Wahlergebnisses aus. „Mannes, der die bürgerlich-konservative Rolle spielt, lädt auch Leute ein, die Vertreibungspläne schmieden“, stellte Werner Gloning klar. Er hatte schon im vergangenen Jahr vehement davor gewarnt, die AfD zu verharmlosen und vermisste damals bei seiner klaren Haltung gegen Mannes noch eine breitere Unterstützung.

Was ist Demokratie?

Man müsse auch unter Jugendlichen mehr „sensibilisieren, was für eine Partei die AfD ist“, erklärte Martina Wenni-Auinger. Die Jugendwahlen an den Schulen hatten gezeigt, dass sich was wandelt. „Ängste werden brutal geschürt“, so die zweite Bürgermeisterin der Stadt Burgau, die auch als Historikerin und als Lehrerin wirkt und dabei das Motto „Gelebte Demokratie heißt Engagement und Konsens“ verfolgt. Sie ist hoffnungsvoll, dass man aus der Geschichte lernen und etwa bei erkennbaren Parallelen zur Weimarer Republik heute anders reagieren könne. „Mich hat zum Beispiel glücklich gemacht, dass sich die Kirchen sich so klar gegen Rechts positioniert haben“, so Wenni-Auinger, die von anderen Institutionen ebenfalls Klarheit fordert.

Für Werner Gloning heißt Demokratie: „wie die Regeln sind, unter denen die Debatten stattfinden. Die AfD spielt nicht nach den Regeln.“ Ihm ist wichtig, in jeder Debatte auch unterschiedliche Positionen darzustellen – etwa neben der Gewerkschaftersicht auch die Arbeitgeberperspektive. In dem Sinne lobte er die Podiumsdiskussion, bei der man die Argumente auch stehen lassen könne, die auch Gedanken in Gang setzen.

Sebastian Lipp regte an, dass man sich ein Verständnis aneignet, wie die extreme Rechte tickt und funktioniert, damit die Gefahr nicht unterschätzt und rechtsextreme Positionen nicht weiter verharmlost oder normalisiert werden. Aber die demokratischen Kräfte müssten sich auch selbst ein eigenes Profil geben, die unterschiedlichen Positionen profilierter darstellen, sodass der Diskurs nicht nur auf demokratisch oder nicht hinausläuft.

Martina Wenni-Auinger versucht, auch an der Schule schon dem Schwarz-Weiß-Denken entgegenzuwirken, und eine Streitkultur auszubilden. Statt nur mit dem Finger zu zeigen, müsse man Schülerinnen und Schüler immer wieder dazu ermutigen, sich ihres Verstandes zu bedienen, Quellen zu überprüfen und eigene Meinungen zu bilden.