Die Geschichte jüdischen Lebens in Altenstadt | Grüne Wege in Schwaben

Am 10. Mai fand im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Grüne Wege in Schwaben“ eine Führung im jüdischen Viertel in Altenstadt und dem jüdischen Friedhof in Illereichen statt. Unter der Leitung des Ortshistorikers Alwin Müller erkundeten die 15 Teilnehmenden die historischen Stätten. Bezirksvorstandssprecher Alpay Artun berichtet.

Die Veranstaltung begann im Herzen von Altenstadt an der Iller. Das jüdische Leben dort hat eine lange und bewegte Geschichte. Die jüdische Bevölkerung erreichte ihren Höhepunkt 1834 mit 403 Personen, was etwa die Hälfte der Ortsbevölkerung ausmachte. In den folgenden Jahrzehnten nahm die Zahl der jüdischen Einwohner*innen jedoch durch Aus- und Abwanderung ab. 1910 lebten noch 72 Jüdinnen und Juden in Altenstadt, und 1933 waren es nur noch 46.

Die Gemeinde verfügte über eine Synagoge, eine jüdische Schule, ein rituelles Bad und einen jüdischen Friedhof im benachbarten Illereichen. Bis 1878 hatte Altenstadt einen eigenen Rabbiner, danach wurde das Rabbinat nach Augsburg verlegt. Es gab mehrere jüdische Vereine, darunter die Heilige Bruderschaft, den Verein Talmud Tora und die Heilige Schwesternschaft. Diese Vereine unterstützten Hilfsbedürftige und Durchwandernde und engagierten sich in der Krankenpflege und im Bestattungswesen. Die ortsansässigen Jüdinnen und Juden prägten in besonderem Maße das Leben im Ort und trugen ihren Teil zur Prosperität bei.

Dies sollte aber schlagartig ein Ende finden: Während der NS-Zeit wurden die verbliebenen jüdischen Einwohner*innen 1941/42 in Vernichtungslager deportiert und ermordet.

Der Jüdische Friedhof Illereichen: Abgeschieden und besonders

Nach der Begehung im Zentrum von Altenstadt bewegten sich die Gäste zum jüdischen Friedhof.

Der Friedhof in Illereichen, einem Ortsteil von Altenstadt, ist ein bedeutendes Baudenkmal und zeugt von der langen Geschichte der jüdischen Gemeinde in der Region. Alwin Müller erzählte davon, dass der Friedhof 1719 angelegt wurde und er sich über eine Fläche von 2879 Quadratmetern am südlichen Ortsrand von Illereichen erstreckt.

Besonders bemerkenswert sind die 233 erhaltenen Grabsteine, die aus dem 18. bis 20. Jahrhundert stammen. Entlang der Mauer am Eingang fanden die Anwesenden eine alte Hinweistafel zur Geschichte des Friedhofs sowie Gedenktafeln für die Gefallenen des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 und des Ersten Weltkriegs. Eine weitere Gedenktafel, die 1992 angebracht wurde, erinnert an die aus Altenstadt deportierten und ermordeten Jüdinnen und Juden.

Der Friedhof wurde 1785 und 1867 erweitert, und die Umfassungsmauer stammt aus dem Jahr 1928. Leider wurde der Friedhof 1924 erstmals geschändet. Die letzte Bestattung fand 1942 statt.

Ein besonderes Merkmal des Friedhofs ist die hebräische Inschrift über dem Eingangstor: „Den Geborenen zum Sterben – den Toten zum Leben”. Diese Inschrift und die ruhige, abgeschiedene Lage des Friedhofs verleihen ihm eine besondere Atmosphäre der Besinnung und Erinnerung.

Ortshistoriker Müller erzählte die Geschichte der Jüdinnen und Juden mit bemerkenswerter Besonnenheit und ließ die Anwesenden nachdenklich zurück. Zum Dank für die gelungene Tour überreichte ihm Stefan Nußbaumer, Sprecher des Kreisverbands Neu-Ulm, ein Geschenk.