Beim jüngsten Bezirksparteitag der schwäbischen Grünen stand das Thema Migration im Mittelpunkt. In Kooperation mit dem Türkischen Kultur- und Sportverein (TKSV) Donauwörth, in dessen Vereinsheim wir tagten, tauschten wir persönliche Erfahrungen und politische Ideen zur Migration und Integration in Deutschland aus. Mit dem TKSV verbindet uns die Vision einer offenen Gesellschaft, in der Vielfalt eine Stärke ist.
Zunächst bedankte sich Turgay Dincer vom TKSV Donauwörth, in einem Grußwort für die Ausrichtung des Parteitags im Vereinsheim – ein starkes Zeichen für Offenheit, Dialog und Zusammenarbeit, das maßgeblich von Albert Riedelsheimer, Bezirksvorstandsmitglied und weiterer Bürgermeister der Stadt Donauwörth in die Wege geleitet und organisiert wurde. Der TKSV Donauwörth arbeitet seit fast 50 Jahren vor Ort an der Integration.
„Integration bedeutet nicht das Aufgeben der eigenen Wurzeln, sondern ein Zusammenwachsen in eine gemeinsame Gesellschaft. Genau dafür steht der TKSV seit seiner Gründung 1977“, so Turgay Dincer. Der Verein biete nicht nur sportliche Aktivitäten, sondern fungiere als kulturelle Brücke und Begegnungsraum, so der zweite TKSV-Vorsitzende, der die Gelegenheit nutzte, uns herzlich für die in zwei Jahren anstehenden Jubiläumsfeierlichkeiten einzuladen.
Anstatt abstrakter politischer Debatten kamen dann zum Themenschwerpunkt Migrationsgeschichten Menschen aus der Region zu Wort. Albert Riedelsheimer erläuterte die Intention der Veranstaltung: „Die Diskussionen über Migration im letzten Wahlkampf erinnerten an die 70er und 80er Jahre. Wir wollen heute einen anderen Weg gehen und von den Erfahrungen der Menschen lernen –was hat ihnen bei der Integration geholfen und was können wir alle verbessern?“
Ayca Kurt, geboren 1988 und in dritter Generation in Deutschland lebend, schilderte die Anfänge der türkischen Einwanderung vor etwa 50 Jahren: „Die Anfänge waren hart, geprägt vom Spagat zwischen den Anforderungen der Familie und denen des neuen Landes. Vereine wie der TKSV wurden gegründet, weil in der Region ein Ort fehlte, an dem nicht nur Sport betrieben, sondern auch kultureller Austausch stattfinden konnte.“
Besonders bewegend war der Bericht von Güler Altunay, die als Kind mit ihrer Familie nach Donauwörth kam. Sie erzählte von ersten Sprachbarrieren, vom Schulalltag und von enttäuschenden Erfahrungen bei der Berufswahl. „Als Teil der zweiten Generation habe ich erfahren, wie gelingende Integration ohne vollständige Assimilation möglich ist – indem man das Beste aus beiden Kulturen annimmt und miteinander verbindet”, so Güler Altunay. Dass diese Haltung auch in der dritten Generation weiterlebt, zeige das Beispiel ihrer Nichte Ayca Kurt auf eindrucksvolle Weise.
Şener Şahin, Integrationsbeauftragter des Bayerischen Fußball-Verbandes, unterstrich: „Integration ist keine Einbahnstraße, sondern ein Geben und Nehmen.“ Er schilderte die Situation der ersten Einwanderergeneration, die oft in segregierten Wohngebieten lebte und hauptsächlich zum Arbeiten nach Deutschland geholt wurde: „Wie sollte mein Vater Deutsch lernen? Er arbeitete im Schichtdienst, dort waren auch nur Türken, weil diese Arbeit nur Ausländer machten. Die deutschen Vorarbeiter lernten schneller türkische Worte als umgekehrt. Wenn es nur ums Arbeiten geht, funktioniert Integration nicht.“
Eine weitere Migrationsgeschichte (aus Marktoberdorf) in der taz lesen:
Rassismus im Alltag: Was soll ich meinem Sohn sagen? | taz.de↗
In der anschließenden Diskussion wurden weitere zentrale Themen angesprochen: die mangelnde Repräsentation von Menschen mit Migrationsgeschichte in Führungspositionen, Herausforderungen bei der Identitätsfindung und die Rolle des Bildungssystems. Dabei wurde deutlich, dass trotz vieler Fortschritte weiterhin strukturelle Barrieren bestehen.
Die Veranstaltung machte deutlich, dass erfolgreiche Integration sowohl individuelle Anstrengungen als auch gesellschaftliche Offenheit erfordert. Rosi Schroll vom KV Augsburg-Stadt fasste zusammen: „Jenseits politischer Prozesse brauchen wir Empathie. Die Geschichten der Ausgrenzung berühren mich sehr. Diesen Schmerz müssen wir als Gesellschaft verarbeiten.”
Der Bezirksverband Schwaben von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird die Erkenntnisse aus diesem Dialog in seine weitere politische Arbeit einfließen lassen und setzt sich weiterhin für eine offene, vielfältige Gesellschaft mit gleichen Chancen für alle ein.