Wahlnachlese und Neukonstituierung der Fraktionen

Grüne Bezirkssprecherin Eveline Kuhnert gratuliert wiedergewählten Bezirksrätinnen im erweiterten Bezirksvorstand Schwaben

Die Ergebnisse der Landtags- und Bezirkswahl in Schwaben sind ernüchternd: Wir verlieren jeweils zwei Mandate und die Verluste an Stimmenanteilen sind mit über 4% größer als in allen anderen bayerischen Bezirken/Wahlkreisen. An vielen Orten schlugen uns nicht nur Gegenwind und Falschinformationen, sondern auch Hass und Hetze entgegen – und mit dem Steinwurf in Neu-Ulm wurde sogar die Grenze zur Gewalt überschritten.

Gemessen an diesen teils beängstigen Umständen dieses Wahlkampf ist es dennoch ein gutes Ergebnis: insgesamt immer noch deutlich zweitstellig und damit auch noch mit Abstand das zweitbeste Ergebnis in unserer Geschichte in Bayern und Schwaben. Wir sind sehr dankbar für den Zusammenhalt unserer Unterstützer*innen sowie für den Zuspruch derjenigen Wähler*innen und Neumitglieder, die uns klar als die stabile politische Kraft gegen einen allgemeinen Rechtsrutsch und gegen faktenverdrehenden Populismus erkannt haben.

Stimmen- und Mandatsverluste in Schwaben besonders schmerzhaft

Nichtsdestotrotz stellt uns die Verkleinerung der Fraktionen vor neue Herausforderungen. Unsere schwäbischen Landtagsabgeordneten müssen nun zu viert das gesamte Bezirksgebiet betreuen. Vor allem im Allgäu fehlt die grüne Repräsentation im Landtag – mit Thomas Gehring verlässt unser erfahrenster Abgeordneter das Landesparlament, das er die letzten fünf Jahre auch als Vizepräsident prägte.

Bezirkssprecherin Eveline Kuhnert dankt Thomas Gehring für 15 Jahre im Landtag

Zudem verfehlten mit ihm und dem Markt Heimenkircher Bürgermeister Markus Reichart gleich zwei Allgäuer trotz herausragender Erststimmenergebnisse den Einzug in den Landtag.

Grün packt an – mit neuer Fraktionsspitze

Umso wichtiger wird auch in der Zukunft, dass wir auch im ländlichen Raum präsent bleiben und uns weiterhin darauf fokussieren, uns auch dort fester und nachhaltiger zu verankern. „Auf dem Land werden konstruktive Lösungen gebraucht, stattdessen wurde ein Keil in die Gesellschaft getrieben,“ so unsere schwäbische Spitzenkandidatin und Landesvorsitzende Eva Lettenbauer. Dass wir den ländlichen Raum nicht aufgeben dürfen, ist auch bayernweit eine der Haupterkenntnisse aus der Wahlanalyse. In der Landtagsfraktion wird Katharina Schulze als alleinige Fraktionsspitze ihre Präsenz in ganz Bayern verstärken.

Ihr bisheriger Partner in der Doppelspitze und bei der Spitzenkandidatur, Ludwig Hartmann, möchte sich als Vize-Präsident des Bayerischen Landtags für den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen und tritt damit in die Fußstapfen von Thomas Gehring. Zum Vize-Fraktionssprecher wurde Johannes Becher aus Moosburg a.d.Isar gewählt, der als erfahrener Kommunalpolitiker und bisheriger kommunalpolitischer Sprecher der Fraktion schon viel für die Vernetzung der grünen Kommunalos im ganzen Land getan hat.

Wie unsere Landtagsabgeordneten den Bezirk in Zukunft betreuen

Auch unsere vier verbliebenen grünen Landtagsabgeordneten aus Schwaben haben sich gleich in der ersten Fraktionsklausur zusammengesetzt, um die Betreuung aller Stimmkreise bzw. Kreisverbände im Bezirksgebiet sicherzustellen.

KreisverbandMdL
Stadt AugsburgCemal & Stephie
Aichach-FriedbergCemal
Augsburg-LandMax
DillingenEva
Donau-RiesEva
GünzburgMax
UnterallgäuStephie
Stadt KaufbeurenStephie
Kempten (+ nördl. Oberallgäu)Eva
OberallgäuMax
LindauEva
OstallgäuCemal
Stadt MemmingenStephie
Neu-UlmCemal
Betreuung der Kreisverbände in Schwaben durch die Landtagsabgeordneten 2023–2028

Bezirkstagsfraktion: Melitta Hippke wird Vizesprecherin

In der grünen Bezirkstagsfraktion Schwaben kommt es zu mehreren Veränderungen. Neben den bisherigen Ratsmitgliedern Annemarie Probst und Xaver Deniffel, die nicht mehr als Stimmkreiskandidatin bzw. gar nicht mehr zur Wahl antraten, konnten auch die bisherige Pflegebeauftragte Christine Rietzler und der bisherige Umweltbeauftragte Albert Riedelsheimer ihre Sitze im Bezirkstag nicht verteidigen. Neu im Bezirkstag sind Melitta Hippke aus Augsburg und Lukas Geirhos aus Bobingen.

Die bisherige Fraktionssprecherin Heidi Terpoorten wurde in diesem Amt bestätigt. Zur neuen Vize-Fraktionssprecherin wurde Melitta Hippke gewählt.

Wir bleiben stabil gegen den Rechtsrutsch!

In Bayern hat zunächst die Kritik am Gebäude-Energie-Gesetz und schließlich die Aiwanger-Flugblatt-Affäre den Wahlkampf bestimmt. Dabei ließen es Ministerpräsident Söder und sein Stellvertreter an Anstand und Redlichkeit vermissen. Schon früh hatte Söder eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen und sich auf eine Fortsetzung der „bürgerlichen“ Koalition mit den Freien Wählern festgelegt. In Abgrenzung zur Ampel-Koalition in Berlin überboten sich schließlich die Koalitionäre in der Staatsregierung in rechtspopulistischen Parolen und einem inhaltsleeren Kulturkampf gegen die Grünen – der letztendlich vor allem der Afd Stimmenanteile verschaffte und insgesamt die politische Stimmung vergiftete.

Zahlreiche Neumitglieder sahen noch am Wahlwochenende die Notwendigkeit, in dieser Lage die Grünen zu unterstützen – als einzige stabile demokratische Kraft gegen den Rechtsrutsch. Gemeinsam mit anderen demokratischen Parteien sowie der Zivilgesellschaft arbeiten wir weiter und bleiben in einem fairen und konstruktiven Austausch über die tatsächlichen Probleme und Themen, statt uns in Faktenverdrehungen und Scheindebatten auf Söder-Niveau zu verrennen. Welche Schlüsse wir aus unseren Verlusten und den erschreckend hohen Stimmengewinnen der Afd bei jungen Wähler*innen zu ziehen haben, wird uns noch länger beschäftigen. Besonders die Social Media und Online Marketing Strategien werden noch genauer unter die Lupe genommen.

Die Verantwortung des Ministerpräsidenten: wie Söders Wahlkampftaktik scheitert und schadet

„Es wird immer dann gefährlich, wenn man einen Teil der Gesellschaft als ’nicht zur Gesellschaft gehörig‘ definiert,“ sagte Toni Hofreiter im Sonntags-Stammtisch im BR Fernsehen zu Söders Einlassungen mit „Bayern-Gen“ uvm. Der Bundestagsabgeordnete aus dem Landkreis München berichtet, er werde seit entsprechenden Aussagen Söders als „eine der Verkörperungen des klassischen Grünen aus Bayern […] massiv angegriffen, angefeindet.“ Die Stimmung auch gegenüber Wahlkämpfer*innen und Kommunalpolitiker*innen in Schwaben hatte sich im Laufe des Wahlkampfs extrem verschärft, sodass viele Angst hatten, sich ehrenamtlich zu engagieren.

Toni Hofreiter zufolge ein klares Foul von Söder: „Das hängt ganz eindeutig mit seinen Aussagen zusammen, dass die Grünen nicht dazugehören. Und das ist natürlich eines Ministerpräsidenten absolut unwürdig. Und mit dieser Art von Wahlkampf haben die die Seele Bayerns ganz schwer verwundet.“

Sonntags-Stammtisch: Mit Susanne Glass und Anton Hofreiter | ARD Mediathek (Debatte um Söders Populismus ab 50:10)

Auch für die CSU selbst ist die Taktik, einen Wahlkampf gegen die Grünen zu machen, nicht aufgegangen. Söders Wahlergebnis ist noch schlechter als das bei seiner ersten Wahl vor fünf Jahren – erzielt erneut das schlechteste CSU-Ergenis seit den 1950er Jahren. Sich in einen Wettbewerb mit FW und der AfD um die Stimmenanteile in den politikverdrossenen bis der Demokratie feindselig gesinnten Bevölkerungsgruppen zu begeben, brachte Söder keinen Stimmenzuwachs. Vielmehr verschaffte die auf Bundesebene von Merz in diese Richtung gesteuerte Union dem Rechtspopulismus Legitimation, in dem sie sich in Wortwahl, Themenschwerpunkten und Parolen annäherte.

Doch anstatt der CSU ihre Stimmen zu geben, wählten die davon angesprochenen Wähler*innen lieber gleich „das Original“, wenn die Positionen durch die Meinungsbildung der vermeintlichen Volkspartei gesellschaftsfähig werden. Laut der Analyse von Philip Banse (Journalist) und Ulf Buermeyer (Jurist) im Politik-Podcast ‚Lage der Nation‘ sieht man das „auch ganz genau an den Wählerwanderungen. In Bayern hat Markus Söder ebenfalls so einen Friedrich-März-artigen, rechtsoffenen Wahlkampf geführt. In der Folge: massive Verluste auch der CSU nach ganz rechts, also zu Freien Wählern und Afd.“

Im direkten Vergleich zum Ergebnis in Hessen, wo am gleichen Tag Landtagswahl war, ist das Fazit im Podcast klar, dass die CSU in eigenem Interesse von einem anti-grünen Wahlkampf hätte absehen sollen: „Man sieht sehr deutlich: Ein radikaler, rechter Wahlkampf nützt […] Afd und Freien Wählern, während ein eher moderater Wahlkampf in Hessen […] die Union deutlich stärkt.“

Mehr dazu im Podcast Lage der Nation, Folge 352 – ab ca. 1:01:35 beginnt die Wahlanalyse:

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